- Südafrika zwischen Niederländern und Briten \(1652 bis 1840\): Europäer am Kap
- Südafrika zwischen Niederländern und Briten (1652 bis 1840): Europäer am KapDie südafrikanische Geschichtsschreibung hat sich lange Zeit auf die Geschichte der weißen Besiedlung und Expansion konzentriert. Dabei wurden entweder die Leistungen der Buren bei der »Erschließung« des Landes oder die Bedeutung der britischen Herrschaft in den Vordergrund gerückt. Koloniale Unterwerfung und Rassentrennung wurden als natürliche Bedingung und zugleich als Folge der Durchsetzung einer überlegenen europäischen Gesellschaftsordnung angesehen.Ab den 1950er-Jahren wurde die afrikanische Geschichte zu einem eigenständigen Untersuchungsgegenstand. Ausgangspunkt der Geschichtsschreibung waren nicht länger allein die weißen Siedler und ihre Konflikte, sondern interne Prozesse der afrikanischen Gesellschaften selbst. Damit wurde auch einer der zentralen Mythen der älteren Geschichtsschreibung infrage gestellt, der Mythos, dass die Kolonisten ein leeres Land in Besitz nahmen.Vor der Ankunft der FremdenArchäologische Funde belegen heute zweifelsfrei, dass Südafrika bereits lange Zeit vor Ankunft der europäischen Seefahrer, Händler und Missionare von afrikanischen Völkern besiedelt war. Am Kap trafen die Europäer zunächst auf San und Khoikhoi (Buschleute und »Hottentotten«), die von Jagd, Sammeln, Fischfang und Viehzucht lebten. Mit der Expansion der Kapkolonie drangen die Kolonisten auch in die Gebiete der Bantuvölker ein, die von Ackerbau und Viehzucht lebten.Die Vorfahren der später Buschleute (Buschmänner) oder San genannten Bevölkerungsgruppe besiedelten, wie ihre Felszeichnungen und -gravuren zeigen, das gesamte südliche Afrika. Im Laufe der Geschichte wurden sie jedoch immer weiter in die trockenen Gebiete des heutigen Botswana, nach Nordnamibia und Südangola verdrängt. Sie waren in Familienverbänden organisiert und lebten vorwiegend als Jäger und Sammler. Die Vorfahren der San handelten mit Vieh und Elfenbein und lebten zeitweilig auch in Klientelverhältnissen bei Viehzüchtern und Ackerbauern.Die Vorfahren der Khoikhoi, die von den Europäern »Hottentotten« genannt worden sind, haben vermutlich vor ungefähr 2000 bis 3000 Jahren im Gebiet des heutigen Botswana die Viehzucht übernommen und sind auf der Suche nach Weidegebieten langsam nach Süden gezogen. Sie dehnten sich über das westliche Simbabwe, den Transvaal bis in das Gebiet des Oranje aus und trennten sich hier, um in zwei großen Migrationsbewegungen weiter nach Süden in das Gebiet der Kaphalbinsel einzuwandern.Khoikhoi und Buschleute/San sind in den verschiedenen historischen Epochen nicht immer eindeutig voneinander zu unterscheiden. Vermutlich gab es Allianzen und verwandtschaftliche Beziehungen, und möglicherweise war die Zuordnung von San bzw. Khoikhoi in europäischen Quellen auch sozial bestimmt. Das heißt, Viehzüchter wurden generell als »Hottentotten«, Jäger und Sammler als Buschleute bezeichnet.Zwischen 200 und 1000 n. Chr. fand eine zweite große Migrationsbewegung statt. Ackerbauern wanderten in mehreren großen Wellen aus Ost- und Zentralafrika in die Region ein und besiedelten Natal, Transvaal, Zululand und die Transkei. Diese der Bantusprachfamilie zugeordneten Völker kannten die Eisengewinnung und -verarbeitung und betrieben ebenfalls Viehzucht.Neben Ackerbau und Viehzucht spielten Jagd, Handel und insbesondere der Fernhandel mit der Küste eine bedeutende Rolle. Ausgrabungsfunde zeigen, dass im südlichen Afrika Anfang des 2. Jahrtausends mehrere Handels- und Regierungszentren entstanden sind. Neben den berühmten Ruinen von Simbabwe wurden die Stätten Ingombe Ilede im heutigen Sambia sowie Mapungubwe im nördlichen Transvaal entdeckt.Im Gebiet des heutigen Südafrika waren die meisten Gesellschaften jedoch staatenlos und dezentral organisiert und basierten auf einem Prinzip von Gefolgschaft und Klientel. Sowohl die extensive Viehzucht wie auch das Jagen und Sammeln verlangten Mobilität und standen der dauerhaften Konzentration größerer Gemeinwesen entgegen. Auch Ackerbaugesellschaften tendierten zur Aufteilung und Migration infolge von ökologischen Krisen, Erbstreitigkeiten oder wenn Bevölkerungsdruck und Viehvermehrung zu einer natürlichen Expansion führten.Kriegerische Auseinandersetzungen und Konflikte wurden in Konkurrenz um Ressourcen geführt, zielten jedoch nicht auf territoriale Eroberungen oder die Vernichtung der Gegner. Es handelte sich eher um eine Verschiebung von Machtverhältnissen und Einflussgebieten. Unterworfene Klane (clans) und Kriegsgefangene wurden, wenn sie nicht flohen, integriert, denn die Macht erfolgreicher Oberhäupter, der chiefs, beruhte in erster Linie darauf, Gefolgschaft und Viehbesitz zu vermehren. Ein Netzwerk von Verwandtschaft und Allianzen umfasste Klane und Klanföderationen, die Sprache und Kultur teilten, jedoch nicht einer zentralen Herrschaft unterworfen waren. Die Ansiedlung der Europäer mit ihrer anderen gesellschaftlichen Organisation, ihrer waffentechnischen Überlegenheit und ihrem anderen Verständnis von Landbesitz und Herrschaft bildete einen neuen Faktor in diesem gesellschaftlichen Gefüge.Die Herrschaft der niederländischen Ostindischen KompanieDie Geschichte der weißen Besiedlung Südafrikas beginnt mit der Einrichtung einer Schifffahrtsstation der niederländischen Ostindischen Kompanie am Fuß des Tafelbergs. Ursprünglich hatte die Kompanie kein Interesse, eine Siedlungskolonie zu etablieren, sondern wollte eine Versorgungsstation für die etwa 30 Schiffe pro Jahr anlegen, die auf ihrem Weg nach Indien mit Frischfleisch und Gemüse versorgt werden mussten. Am 6. April 1652 wurde die erste Niederlassung unter Jan Anthonisz. van Riebeeck gegründet. Der Auftraggeber, kein Staat, sondern eine gewinnorientierte Aktiengesellschaft, war nicht an territorialer Herrschaft interessiert. Der Stützpunkt sollte bei möglichst geringen Kosten der Verpflegung und Erholung der Mannschaften sowie der Ausbesserung der Schiffe dienen. Die ersten Weißen waren daher keine selbstständigen Siedler, sondern Personal der Kompanie.Die Kompanie erkannte jedoch bald, dass es lukrativer war, durch freie Siedler auf eigenem Land und auf eigenes Risiko Getreide und Gemüse anbauen zu lassen, und entließ 1657 die ersten Freibürger, die sich am nahen Liesbeeck River niederließen und Agrarprodukte zu festen Preisen an die Kompanie lieferten. Dies legte bereits den Keim eines Konfliktes, der die Periode der Herrschaft der niederländischen Ostindischen Kompanie bis zu ihrem Ende prägte. Auf der einen Seite standen die Angestellten der Handelsgesellschaft, die an einer möglichst kostengünstigen und konfliktfreien Verwaltung von Fort und Hafen interessiert waren. Auf der anderen Seite standen die Freibürger, die Schutz und Verteidigung ihrer Interessen gegenüber der afrikanischen Bevölkerung forderten und sich gegen die Monopolpolitik der Kompanie wehrten.Die Siedler begannen, die Gesellschaft der Khoi- khoi zu stören. Das Land war zwar äußerst dünn besiedelt, aber die Freibürger besetzten gerade die Teile des Landes, die von den Khoikhoi als Weiden beansprucht wurden. Die Khoikhoi kannten keinen Landbesitz im Sinn eines abgegrenzten Territoriums, das gesichert und verteidigt wird. Auf gute Weidegebiete und Wasserstellen gab es jedoch codierte Ansprüche, die auch innerhalb der Gesellschaft zur Überschneidung von Interessen und zu Konflikten führen konnten. In dieses System von Rechtsansprüchen, Verhandlungen, Kompromissen und kriegerischen Auseinandersetzungen wurden die ersten weißen Siedler einbezogen. Als Fremde in diesem System betrachteten sie das von ihnen beanspruchte Land jedoch als Eigentum und waren bereit, es zu verteidigen. Die Khoikhoi mussten entweder die neue Macht anerkennen oder sich auf Kriege einlassen.Bereits 1659, sieben Jahre nach der Gründung der Station und zwei Jahre, nachdem zum ersten Mal Land an Freibürger vergeben wurde, kam es zum ersten Krieg. Doman, der als Übersetzer für die Kompanie tätig war und Java besucht hatte, führte eine Koalition von Klanen an. Die Bürger und Soldaten verschanzten sich in der Festung, und 1660 hatte die Kompanie die Situation wieder unter Kontrolle. Zwei der Klane unterwarfen sich, Doman wurde verwundet, und die Allianz zerbrach. Im Friedensvertrag wurde festgelegt, dass die Khoikhoi keine Reparationen leisten mussten und erbeutetes Vieh behalten durften. Viel schwerer wog jedoch, dass sie im Gegenzug die Souveränität der Kompanie über das Land der Freibürger anerkennen mussten.Die Expansion der KapkolonieAb den 1670er-Jahren hatte die Kompanie ihre Politik geändert und zielte nun auf eine Konsolidierung der Kolonie, um die Engländer davon abzuhalten, ihrerseits das Kap zu besetzen. Formal wurde das Territorium der Kolonie 1679 mit den Niederlassungen Stellenbosch (1679) und Drakenstein (1687) erweitert.Durch großzügige Landvergabe und die Gewährung freier Überfahrten wurden niederländische und deutsche Siedler angeworben; Mädchen aus den Waisenhäusern in Amsterdam und Rotterdam wurden als Bräute in die Kolonie geschickt. 1687/88 wurde die Siedlerschaft um etwa 225 Hugenotten ergänzt, die Frankreich nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 verlassen hatten. Die Hugenotten assimilierten sich innerhalb weniger Generationen und übernahmen das aus deutschen Dialekten und dem Holländischen entstandene Afrikaans als Muttersprache.Mit der Ausweitung der Station und der Einrichtung eines Krankenhauses wurde mehr Vieh angefordert, als die Khoikhoi liefern wollten. Die Handelsexpeditionen drangen daher immer weiter ins Landesinnere vor. Damit wurden alle Khoikhoiklane im westlichen Kap in das Handelsnetz der Kompanie eingebunden. Die Klane im Landesinneren standen den europäischen Siedlern nicht prinzipiell feindlich gegenüber, sondern betrachteten sie als Handelspartner und potenzielle Verbündete. Konflikte entstanden aus Auseinandersetzungen über Menge, Qualität und Preise von Vieh. Zudem wurde den Khoikhoi immer wieder Viehdiebstahl vorgeworfen. Die Einrichtung von Patrouillen und Wachtposten verstärkte dabei das Sicherheits- und Überlegenheitsgefühl der Europäer, die sich häufig anmaßten, nach eigenem Rechtsempfinden Khoikhoi zu bestrafen.Die ab Mitte der 1670er-Jahre immer stärkere Einflussnahme in militärischer, diplomatischer, ökonomischer und juristischer Hinsicht bildete den Hintergrund des zweiten Krieges von 1673 bis 1677, der die meisten Klane des südwestlichen Kaps betraf. Gonnema, einem unabhängigen und der Kompanie gegenüber feindselig eingestellten chief, unterstellte man Viehdiebstahl und Belästigung weißer Jäger und Siedler. Nach vier Strafexpeditionen wurde Gonnema 1677 zum Friedensschluss gezwungen. Er musste bis zu seinem Tod einen jährlichen Tribut entrichten, der auch einen symbolischen Charakter hatte, denn er bezeugte immer wieder, dass sich der stärkste oppositionelle chief unterworfen hatte.Um 1700 war aus der Schifffahrtsstation eine komplexe Siedlergesellschaft auf der Basis von Sklaverei und unfreier Arbeit geworden. Die kommerzielle Landwirtschaft war so erfolgreich, dass die Kolonie bis 1781 der hauptsächliche Weizenlieferant für die holländischen Besitzungen in Ostindien war. Die ökonomische, aber auch politisch-militärische Macht des »neuen Stammes« war durch ein System von Zwangshandel, Tribut und Raub etabliert. Unter dem neuen Kommandanten Simon van der Stel (1679—99) wurde zudem der Brauch eingeführt, dass neue chiefs offiziell von der Kompanie anerkannt und mit einem Hoheitszeichen ausgestattet wurden. Dies stärkte zwar ihre Position, zumal gegenüber feindlichen Klanen, bedeutete aber gleichzeitig einen Verlust von Souveränität.Sklaven und »freie Schwarze«Die Sklaverei in Südafrika begann mit der weißen Besiedlung. Schon wenige Wochen nach der Landung forderte Jan van Riebeeck die Entsendung von Sklaven, die 1658 aus Dahome und Angola eintrafen. Später wurden auch Sklaven aus Westafrika, aus Moçambique und Madagaskar, aus Indien, China und Indonesien an das Kap verschleppt. So entstand im Laufe der Zeit eine sozial äußerst heterogene Sklavengesellschaft, die sich aus afrikanischen Feldsklaven, asiatischen Haussklaven und Handwerkern sowie gebildeten Schreibern zusammensetzte.Das Sklavereisystem in Südafrika war zumeist strikt und undurchlässig. Die Taufe war keineswegs ein Weg zur Freilassung, weder nach den Vorstellungen der offiziellen Politik noch in der Praxis. Zudem war der Einfluss des Christentums eher gering, denn die reformierte Kirche hatte wenig Interesse an der Missionierung. Noch 1812 wurde unter dem Gouverneur Sir John Cradock offiziell bestätigt, dass das christliche Bekenntnis keinen Einfluss auf den Sklavenstatus hätte. Der Islam war unter den Sklaven weit stärker verbreitet. Da die Kapkolonie unter der Herrschaft der Kompanie als Strafkolonie diente, wurden auch eine Reihe politischer Gegner der Holländer aus Ostasien und Indien — unter ihnen gelehrte Muslime — hierher deportiert, die zur islamischen Gemeindebildung unter den Sklaven in Kapstadt beitrugen. Die Sklavenhalter tolerierten den Islam offensichtlich, weil er Disziplin und das Verbot von Alkohol forderte.Zwischen 1715 und 1791 wurden 1075 Sklaven freigelassen, eine Quote, die beispielsweise weit unter der von Brasilien im gleichen Zeitraum lag. Bei den Freigelassenen handelte es sich vor allem um Sklaven asiatischer Herkunft und um solche, die Europäer als Väter hatten. In der Stadt konnten einige Sklaven auch selbst ein Einkommen erzielen und so ihre Freilassung kaufen. Ein Viertel aller freigelassenen Sklaven war von »freien Schwarzen« gekauft worden, die auf diesem Weg Familienmitglieder befreiten.Nach dem Zensus von 1807 bestand die Gruppe der freien Schwarzen in Kapstadt aus 1204 Menschen gegenüber 29303 Sklaven und 25614 Weißen. Die freien Schwarzen in der Stadt waren eine heterogene Gruppe. Zu ihnen gehörten nicht nur freigelassene Sklaven, sondern auch Mischlinge sowie zum Beispiel Seeleute aus Ostindien. Sie arbeiteten hauptsächlich als Handwerker, Fischer und im Kleinhandel. Bis in das späte 18. Jahrhundert hielt sich ihre rechtliche Diskriminierung in Grenzen, aber die Gesellschaftsordnung war nie »farbenblind«. Es herrschte eine Passpflicht für freie Schwarze, und ab 1727 wurden bestimmte Beschäftigungen für Weiße reserviert.Weiße und Khoikhoi, Sklaven und freie Schwarze gehörten unterschiedlichen rechtlichen und politischen Statusgruppen an, die sich aber von Anfang an mischten. Drei Viertel aller Kinder von Sklavinnen hatten europäische Väter. Bis ins 18. Jahrhundert war es auch nicht unüblich, dass Farmer und Kompanieangestellte freigelassene Sklavinnen, meist asiatischer Herkunft, oder freie schwarze Frauen heirateten.Der Weg nach Norden und OstenAb 1717 wurden keine Siedler mehr angeworben, aber das hohe Bevölkerungswachstum führte zu einer steigenden Nachfrage nach Land. Zudem gab es für besitzlose Weiße kaum Möglichkeiten, eine Beschäftigung zu finden, weil die meisten abhängigen Arbeiten von Sklaven und freien Schwarzen verrichtet wurden. Zwischen 1657 und 1717 hatte die Kompanie etwa 200 km2 Land vergeben, verteilt auf einer Fläche von 6500 km2, das hauptsächlich für den Ackerbau genutzt wurde. So war im Umland von Kapstadt eine relativ wohlhabende Schicht von Weizenfarmern und Winzern entstanden. Der Aufbau eines Ackerbaubetriebes erforderte hohen Kapitaleinsatz, und der Markt war im frühen 18. Jahrhundert gesättigt. Die stetige Nachfrage nach Fleisch und der einfache Zugang zu weiterem Land bewirkten, dass sich immer mehr Siedler außerhalb des ursprünglichen Siedlungsgebietes als Viehzüchter niederließen. Viele dieser Trekburen lebten als Halbnomaden und verließen abgeweidete und schlechte Gebiete wieder. Dadurch wurde das Gebiet, das unter den Einfluss der Kolonie kam, auch ohne militärische Eroberung immer größer. Im Laufe des 18. Jahrhunderts dehnte sich die Kapkolonie etwa 400 km nach Norden und 800 km nach Osten aus. 1786 wurde die Kolonie formal erweitert und ein Landdrost im neuen Distrikt Graaff-Reinet eingesetzt.Die Kompanie erlaubte die Besiedlung eines riesigen Territoriums, überließ »Erschließung« und Verteidigung aber den Trekburen selbst. Zwar gab es immer wieder Konflikte zwischen Trekburen und Khoikhoi, aber bis 1770 keinen organisierten Widerstand. Die Gesellschaft der Khoikhoi war wie schon früher durch die Pockenepidemien 1755 und 1767 extrem geschwächt worden, und das Land war äußerst dünn besiedelt. Viele Khoikhoi suchten daher Arbeit bei den Trekburen. Die neu entstehende Grenzgesellschaft beruhte noch nicht auf einer ausgesprochenen rassistischen Ideologie. Die Trekburen waren auf die Arbeitskraft der Khoikhoi angewiesen und hatten kein Interesse daran, sie zu vertreiben.Die »Bastaards« und die GriquaViele Trekburen lebten auch mit Khoikhoifrauen im Konkubinat. Da die Rechtsstellung der Kinder vom Status ihrer Mutter abhing, blieben die Kinder von Sklavinnen unfrei, während Kinder aus Verbindungen mit Khoikhoifrauen frei waren. Diese entstehende Mischlingsbevölkerung, die »Bastaards«, stellte die hierarchische Rassengesellschaft langfristig nie infrage, auch wenn es bis heute ein offenes Geheimnis ist, dass viele der burischen Gründungsfamilien schwarze Mütter hatten. Die »Bastaards« wurden zu einer eigenständigen kulturellen Gruppe und sozialen Klasse. Sie waren nicht voll akzeptiert, hatten aber einige Bürgerrechte, wenn sie getauft waren. Sie sprachen Niederländisch oder Afrikaans und unterschieden sich in ihrem Lebensstil wenig von den Europäern.Eine weitere Bevölkerungsgruppe, die aus der Dynamik der Grenzgesellschaft hervorgegangen war, waren die Griqua. Diese Gruppe setzte sich aus freigelassenen und geflohenen Sklaven, Khoikhoi und Mischlingen zusammen. Wie die Trekburen suchten sie außerhalb der Kolonie nach Land. Sie zogen nach Norden und waren bereits 1730 bis zum Oranje gekommen. Hier bildeten sie neue politische Einheiten, die zwar der Kompanie und später der britischen Kolonialregierung unterstanden, aber weitgehend unabhängig agierten. Ähnlich wie die Trekburen waren sie in Kommandos organisiert, bewaffnet und beritten. Ihre wirtschaftliche Grundlage bildete neben Viehdiebstahl und Viehzucht vor allem die Jagd und der Handel mit Jagdprodukten. Wie ein Teil der Mischlingsbevölkerung am Kap waren sie Christen, und ihre Verbindung zur Verwaltung wurde häufig durch Missionare aufrechterhalten.Die Abwesenheit einer verbindlichen politischen Autorität vor Ort kennzeichnete die Anfangsphase der Expansion. Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte waren die Machtverhältnisse noch nicht endgültig festgelegt. Eine pragmatische Politik der Kooperation und wechselseitigen Kompromisse bestimmte die Verhältnisse. Erst nach der Niederschlagung des Widerstands der Khoikhoi und San im Nordosten wurde eine eindeutig hierarchische und ideologisch abgesicherte Sozialordnung zementiert, die auf Gewalt, Akkumulation und Enteignung beruhte. Ab 1770 wurden »Bastaards« als eigene Kategorie von Untertanen ausgewiesen und zum Militärdienst verpflichtet. Gleichzeitig wurde eine Reihe von Rechten bezüglich Jagd, Handel und Transport für Bürger reserviert.Um 1770 waren die Trekburen bis in den Nordosten vorgedrungen und trafen hier auf verarmte Gruppen von Khoikhoi und San — zusammenfassend »Khoisan« genannt —, die keine Ausweichmöglichkeiten mehr hatten, weil ihnen der Weg von sesshaften Gemeinschaften von Ackerbauern und Viehzüchtern versperrt war. Dreißig Jahre lang wurde in dieser Region ein Krieg mit äußerster Härte und Brutalität geführt. Obwohl die Trekburen waffentechnisch überlegen waren und Khoikhoi als Hilfstruppen in ihren Diensten standen, konnten sie den Widerstand der Khoisan zunächst nicht brechen. Zu dessen Bekämpfung wurde keine Kolonialarmee eingesetzt, sondern Kommandos. Diese Bürgerwehren wurden im 18. Jahrhundert zum wichtigsten Symbol des kulturellen und sozialen Zusammenhalts der Trekburen. Offiziell der Regierung unterstellt, operierten die Kommandos oft unabhängig von Weisungen aus Kapstadt.Der Krieg im Nordosten hatte einen direkten Einfluss auf die Stellung der »Mischlinge« und der Khoikhoi. Einerseits sollten potenzielle Konkurrenten um Land und Ressourcen ausgeschaltet werden, andererseits waren sie als Hilfstruppen zur Bekämpfung des Widerstandes nötig. Der Krieg führte auch auf den Farmen zu Spannungen. Selbst loyale und seit langer Zeit in europäischen Diensten stehende Khoikhoi und Mischlinge wurden einem zunehmend brutalen Regime unterworfen. Besonders Khoikhoi und San wurden als skepsels, als Untermenschen, betrachtet. 1792 sah sich die Regierung veranlassst, Fangprämien für Khoikhoi und San auszusetzen, um zu verhindern, dass sie wie Tiere abgeschossen wurden. Kriegsgefangene, besonders Frauen und Kinder, wurden zu einer wesentlichen Quelle von Arbeitskraft. Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts kamen im Distrikt Graaff-Reinet auf einen Sklaven zwei Kriegsgefangene.Die ersten Xhosa-KriegeAn der Ostgrenze war Ende des 18. Jahrhunderts ein weiteres Konfliktpotenzial entstanden, als die Trekburen in Land vorgedrungen waren, auf das die Xhosa, Ackerbauern und Viehzüchter, Anspruch erhoben. Die Siedler waren hier mit einer relativ bevölkerungsreichen Gesellschaft konfrontiert, die auf einer komplexen Ökonomie beruhte und deren politisches System sehr viel widerstandsfähiger als das der Khoikhoi und San war.Um Konflikte zu verhindern, hatte der Gouverneur Baron Joachim van Plettenberg bereits 1778 eine Grenze proklamiert, bei der er allerdings weite Gebiete, die von Xhosa bewohnt waren, der Kompanie zuschlug. Die Regierung war zwar nicht an einer militärischen Eroberung interessiert, verhinderte aber die Expansion der Siedler nicht und benutzte sie zur Grenzsicherung. Schon ein Jahr nach Proklamation der Grenze brach ein bewaffneter Konflikt aus. Die Siedler waren nicht stark genug, um sich zu verteidigen, und konnten erst 1781 ein größeres Kommando zusammenstellen, um die Xhosa aus dem besonders geeigneten Weideland des Zuurveld zu vertreiben. Der Great Fish River wurde als neue Grenze proklamiert, die aber de facto nie beachtet wurde. Siedler und Xhosa zogen mit ihrem Vieh auf beide Seiten der Grenze, und 1793 brach ein neuer Krieg aus, als viele Xhosa in das Zuurveld zurückgekehrt waren. Auch dieser Krieg brachte keine Entscheidung, weil die Kommandos nicht stark genug waren, die Grenze zu sichern.1799 begann erneut ein Krieg, der eine andere Qualität als die vorangegangenen Grenzkonflikte aufwies. Khoikhoi, San und eine Reihe von Farmarbeitern schlossen sich den Xhosa an. Die Farmarbeiter waren dabei in doppelter Hinsicht eine Gefahr, denn die Siedler waren auf ihre Arbeitskraft angewiesen und zudem waren sie im Reiten und Schießen geübt. Erst 1803 wurde der Krieg nach einem Friedensschluss mit den chiefs der Xhosa und der Aufgabe der Khoikhoi beendet, denen bessere Arbeitsbedingungen zugesagt wurden. Die Situation an der Grenze änderte sich allerdings erst 1811 grundlegend, als die neuen britischen Herren ihre Politik gegenüber dem Hinterland änderten.Die Briten am KapZwischen 1795 und 1814 wechselte die Kapkolonie dreimal ihre Besitzer. Nachdem Frankreich die Niederlande erobert und zur »Batavischen Republik« erklärt hatte, schickte die britische Regierung ein Geschwader nach Kapstadt, um sich die Kolonie zu sichern, bevor sie von Frankreich beansprucht werden konnte. Die höheren Offiziere und Beamten sympathisierten mit Großbritannien und daher blieb der Widerstand eher symbolisch. Nach dem Frieden von Amiens 1802 gab Großbritannien die Kapkolonie zurück an die Batavische Republik, die drei Jahre lang am Kap regierte. Die zweite britische Besetzung folgte 1806, die endgültige Abtretung an Großbritannien mit der offiziellen Erklärung zur Kronkolonie im August 1814.Während in Europa Krieg herrschte, landeten im Januar 1806 6700 britische Soldaten an der Tafelbucht, um diesen strategisch wichtigen Punkt zu besetzen. Bereits die beiden ersten Gouverneure, der Earl of Caledon und Sir John Francis Cradock, nahmen einschneidende Änderungen vor. Sie unterlagen keinerlei offizieller lokaler Kontrolle mehr und regierten per Proklamation. Die Briten waren eher noch rassen- und hierarchiebewusster als die burische Kapgesellschaft, verfolgten aber eine andere Politik. Sie formalisierten die vorgefundenen Restriktionen, verboten den Sklavenhandel und modernisierten das Arbeitssystem. Eine weitere wichtige Maßnahme war die Regulierung des Landrechts, und mit der Einrichtung von Gerichtstagen wurde versucht, das Rechtssystem auch auf die Grenzgebiete auszudehnen.Die britischen SiedlerVon Teilen der weißen Bevölkerung wurde die britische Regierung als Fremdherrschaft verstanden. Großbritannien reagierte im Gegenzug, nach anfänglichem Zögern des Kolonialbüros (Colonial Office), mit der systematischen Rekrutierung britischer Siedler für die neue Kolonie. Gouverneur Lord Charles Somerset (1814—26) beabsichtigte, die militärischen Stützpunkte zwischen Grahamstown und Cradock durch eine Kette von Siedlungen zu unterstützen und damit die Ostgrenze zu stabilisieren. Dies war nach den erneuten Kriegen von 1811 und besonders von 1819, als die Xhosa unter dem Propheten Nxele Grahamstown angegriffen hatten, ein vordringliches Problem.In der ersten Hälfte des Jahres 1820 kamen 4000 Siedler in die Kolonie. Idealerweise sollten sie bereits Kapital und Gefolge mitbringen und sich in der Kolonie als Landwirte betätigen. Tatsächlich waren unter ihnen aber auch viele Abenteurer, Handwerker und Arbeitslose, die als Wanderhändler und Handwerker versuchten, ein Auskommen zu finden. Gemessen an den Trekburen bildeten die britischen Siedler aber eine relativ gebildete Klasse, die städtisch orientiert und mit der Geldökonomie vertraut war. Auf ihre Initiative und gegen den Widerstand von Gouverneur Somerset setzten sie Pressefreiheit und ein größeres Mitspracherecht durch. Ein Advisory Council (Beirat) wurde 1825 eingerichtet, ein Executive and Legislative Council (Exekutiv- und Legislativrat) 1834, Institutionen, die den Grundstein für die spätere repräsentative Regierung (ab 1853) legten.Da viele Siedler mit ihren Familien in die Kolonie gekommen waren, vermischten sich die beiden weißen Bevölkerungsgruppen wenig. Buren und Briten teilten zwar ein kulturelles Überlegenheitsgefühl gegenüber den »Eingeborenen«. Aber der Gegensatz zwischen einer vorwiegend afrikaanssprachigen ländlichen und einer städtischen oder nicht in der Landwirtschaft tätigen englischsprachigen Bevölkerung führte im Laufe der Geschichte zur Herausbildung getrennter Identitäten, die unabhängig von realen Lebenssituationen bis heute Bestand haben.Die Eroberung des SüdostensDer erste Grenzkrieg mit den Xhosa war der Beginn einer hundertjährigen Kriegsperiode, die mit der Niederlage aller Xhosa-Klane endete. Dabei waren die Fronten allerdings nicht immer eindeutig. Es gab neben Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen auch Allianzen und Bündnisse zwischen Siedlern und Xhosa. Dies beruhte nicht auf Unfähigkeit oder Kurzsichtigkeit der chiefs, sondern auf dem spezifischen politischen System und der Geschichte des Kontaktes mit den Kolonisten. Diese waren anfangs auch abhängig vom Wohlwollen der Xhosa und wurden von ihnen, je nach Macht, als Untertanen oder konkurrierende chiefs betrachtet, mit denen Allianzen wie mit anderen chiefs eingegangen wurden. Den Siedlern stand nicht eine einheitliche »Nation«, eine politisch zentral organisierte Gesellschaft gegenüber, sondern Klankonföderationen mit unterschiedlichen Interessen und Einflussgebieten. Aus einer Vielzahl kleinerer Häuptlingschaften hatten sich im 18. Jahrhundert drei Hauptgruppen herausgebildet und ein großes Gebiet in Besitz genommen: Die Gcaleka siedelten östlich des Kei, die Ngqika zwischen Kei und Great Fish River und die Ndlambe im Zuurveld, westlich des Great Fish River. Im Verlauf der Expansion und Zentralisierung wurden auch Khoikhoi, Buschmänner und Thembu in das politische System einbezogen. Die Interaktion zwischen Xhosa und Khoikhoi beruhte dabei nicht ausschließlich auf Unterordnung und Unterwerfung, sondern auch auf einem Verhältnis von Klientel und Nachbarschaft.Die Flexibilität des gesellschaftlichen Systems, das auf die Integration von Fremden angewiesen war, zeigte sich gegenüber den Europäern letztlich als Schwäche. Die ersten drei Grenzkriege wurden noch, trotz aller Grausamkeiten und Verluste, zwischen relativ gleich mächtigen Gruppen geführt, die um Wasser und Weidegebiete konkurrierten, ohne territoriale Eroberungen und eine Vernichtung des Gegners anzustreben. Erst der vierte Grenzkrieg von 1811/12 war eine Zäsur. Zum ersten Mal stellte die Kolonialregierung eine große reguläre Truppe auf, die im Bündnis mit Hilfstruppen in der Lage war, ungefähr 20000 Xhosa zurück über den Great Fish River zu drängen, der erneut zur Grenze zwischen der Kolonie und den Gebieten der Xhosa erklärt wurde.Die ProphetenIn dieser Situation gewannen zwei Propheten, Nxele und Ntsikana, großen politischen Einfluss. Beide versuchten in ihren Lehren, eine Synthese zwischen der Kosmologie der Xhosa und dem Christentum herzustellen. Während Ntsikana Zeit seines Lebens einen friedfertigen Weg verfolgte, wurde Nxele zunehmend militanter und wandte sich schließlich radikal gegen die Kolonialmacht. Der Einfluss von Propheten auf die Xhosa-Gesellschaft im gesamten 19. Jahrhundert war nicht Kennzeichen einer irrationalen Weltflucht, sondern der Versuch, mit einem bisher unbekannten Phänomen umzugehen. Obwohl sie ganz unterschiedliche Antworten für die Dominanz der weißen Kolonialherren fanden, hatten sie die gleiche soziale Funktion. Der Rang und die Legitimation traditioneller Heiler und Propheten entstand im Dialog mit der Gemeinschaft. Sie waren dafür zuständig, Zerstörung und Unordnung zu deuten und zu beheben. Die Einbeziehung christlicher Lehren in traditionelle Formen der Erklärung und Bewältigung von Krisensituationen war eine Reaktion auf die koloniale Übermacht und gleichzeitig der Beginn einer afrikanischen Theologie. Ntsikana, und nicht die Missionare, verbreitete das Christentum als afrikanische Religion unter den Xhosa.1819 war Nxele auf der Höhe seiner politischen Macht angelangt. Er stellte ein stehendes Heer auf, entwickelte neue Kampftechniken und versuchte mit seiner neuen politisch-religiösen Lehre verfeindete chiefdoms (Häuptlingtümer) zusammenzuschließen. Im fünften Grenzkrieg griff das Heer unter Nxele die Garnison Grahamstown an, musste aber nach drei Monaten aufgeben. Nxele, auf Robben Island inhaftiert, ertrank bei einem Fluchtversuch.Der sechste und siebte GrenzkriegDie Xhosa waren zwar geschlagen, aber es bestand weiterhin das Problem für die Kolonialherren, die Grenze zu sichern. Es war zu teuer, für den Schutz der wenigen Siedler ein stehendes Heer zu unterhalten, und das Experiment, durch die Ansiedlung britischer Auswanderer die Grenze zu sichern, misslang. Ganz im Gegenteil, die neuen Siedler verschärften den Grenzkonflikt noch. Um die Bevölkerungsdichte zu erhöhen, erhielten die Siedler relativ knappe Landzuteilungen von 40 Hektar, während die Größe durchschnittlicher Burenfarmen 2400 Hektar betrug. Sie sollten keine extensive Viehzucht, sondern intensive Landwirtschaft betreiben. Vielen fehlte jedoch das Kapital, und zudem bot das Zuurveld zwar gute Weiden, war aber für den Ackerbau kaum geeignet. Der Expansionsdruck im Grenzgebiet verstärkte sich daher, obwohl die Mehrheit der britischen Siedler sich in die Städte und Dörfer zurückzog, wo nach dem Verbot des Sklavenhandels ein Bedarf an Arbeitskräften bestand. Auch der Versuch, die Grenze durch die Erklärung einer neutralen Zone zwischen dem Great Fish River und dem Keiskamma zu befrieden, musste scheitern. Die Wirtschaftsweise der Xhosa und der Buren beruhte auf Expansion und Weidewechsel, und eine bürokratische Verfügung über das Land konnte das Problem konkurrierender Interessen nicht lösen.1834 kooperierten fast alle chiefs der Xhosa im sechsten Krieg gegen die Kolonie. Sie hatten ihre Lehre aus der Schlacht von Grahamstown gezogen und verlegten sich auf eine Guerillataktik. Anfänglich konnten sie viele Farmer von ihrem Land vertreiben. Nachdem die Armee jedoch bis über den Kei vorgerückt war und der Häuptling der Gcaleka, Hintsa, der als Oberhaupt aller chiefs der Xhosa galt, erschossen wurde, kapitulierten die überlebenden chiefs 1835. Das Land zwischen Keiskamma und Kei wurde als Provinz Queen Adelaide annektiert. Die Haltung der Kolonialregierung gegenüber den Xhosa wechselte mehrfach. Nachdem zunächst Harry Smith in der neuen Provinz ein hartes Regiment geführt hatte, wurde er auf Intervention des Colonial Office durch Andries Stockenstrom ersetzt, der auf Verhandlung und Ausgleich mit den chiefs setzte. Nach einem weiteren Regierungswechsel brach der Krieg 1846 wieder aus. Die Siedler wurden hinter den Fluss Keiskamma vertrieben, aber die Truppen zerstörten Siedlungen, Rinderherden, Ernten, und angesichts einer drohenden Massenhungersnot unterwarfen sich die chiefs. 1847 wurde Sir Harry Smith, der für die Erschießung Hintsas verantwortlich war, Gouverneur der Kapkolonie und erklärte das Land zwischen Keiskamma und Kei endgültig zur separaten Kolonie British Kaffraria.Die Zeit der MfecaneUnabhängig von direkten Eingriffen der Kolonialherren fanden ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts tief greifende Veränderungen in den afrikanischen Gesellschaften der nördlichen Nguni, die zur Bantusprachgruppe gezählt werden, im Gebiet des heutigen Natal und Zululands statt. Hier entstanden größere zentralisierte und militärisch bedeutende Staatswesen. Ausgangspunkt dieser Veränderungen war die Region zwischen dem Tugela und der Delagoa-Bai. Die Zeit der Mfecane, in der Nguni-Sprache die Zeit der Wirren, der Verwüstung, war durch weiträumige Migrationen, Kriege sowie die Entstehung neuer Völker geprägt. Am Ende der Periode hatten sich mehrere »Staaten« oder »Königreiche«, teilweise weit entfernt von den ursprünglichen Siedlungsgebieten, etabliert: in Südafrika die Königreiche der Sotho, Swasi und Zulu, das Gazareich in Südmoçambique sowie die Reiche der Ngoni in Sambia und der Ndebele in Transvaal, später, nach 1837, in Simbabwe. Diese als Staatenbildungsprozesse bezeichneten Umwälzungen beruhten nicht alleine auf einer Erweiterung der früheren Klanföderationen, wie der Aufstieg des Zulureiches zeigt.Im 18. Jahrhundert konkurrierten mehrere chiefs um die Vorherrschaft in der Region. Um die Jahrhundertwende hatten sich als stärkste Gruppen die Mthethwa unter Dingiswayo und die Ndwandwe unter Zwinde etabliert. Sie unterwarfen und integrierten benachbarte Klane, wobei sie ihre Herrschaft durch eine neue Institution festigten: die Einführung einer Wehrpflicht in klanübergreifenden Altersregimentern (amabutho), die direkt dem Herrscher unterstellt waren. Mit diesem stehenden Heer war eine effektivere Kriegführung möglich, die Autorität von Distriktoberhäuptern und tributpflichtigen chiefs wurde geschwächt, weil sie nicht mehr für die Organisation von Truppen zuständig waren. Gleichzeitig wurden junge Männer der eigenen und unterworfener Gemeinschaften in ein neues Loyalitätssystem eingebunden. Der königliche Haushalt wurde zum administrativen und militärischen Zentrum, wobei Schlüsselpositionen mit »Beamten« (induna) besetzt wurden.Um 1818 wurde der junge Shaka (auch: Chaka) Zulu zunächst oberster Feldherr und schließlich Nachfolger von Dingiswayo, nachdem er Zwinde besiegt hatte. Er führte die Änderungen seiner Vorgänger und Konkurrenten weiter und transformierte das System des amabutho zu einer umfassenden gesellschaftlichen Institution. Männer waren vom 16. bis zum 40. Lebensjahr wehrpflichtig und durften in dieser Zeit nicht heiraten. Auch Frauen wurden in Regimentern erfasst, die Hilfsdienste zu leisten hatten. Die Männer waren in Wehrdörfern kaserniert und bewirtschafteten ihre eigenen Felder. Damit hatte sich Shaka einen direkten Zugriff auf einen großen Teil der Produktion gesichert. Eine weitere Neuerung war die Art der Bewaffnung und der Kriegführung. Die Krieger wurden mit Kurzspeeren und großen Schilden zur Abwehr von Wurfspießen ausgerüstet und im Nahkampf trainiert. Durch die neue Bewaffnung und die Entwicklung neuer Taktiken wurden die Kriege sehr viel brutaler und verlustreicher. Shakas Armee unterwarf und vertrieb Hunderte kleiner Gemeinschaften, die durch ihre Flucht den Krieg in immer weiter entfernte Regionen trugen. Nach internen Machtkämpfen wurde Shaka 1828 von seinen Halbbrüdern ermordet und Dingane zu seinem Nachfolger erklärt.Die Verwüstungen durch die Mfecane schwächten den Zulustaat ab den 1830er-Jahren. Händler und Missionare berichteten nach Kapstadt, dass große Teile des Landes entvölkert und leicht zu erobern seien. Angesichts des Widerstandes der Xhosa im Osten dürften diese Nachrichten ein Grund dafür gewesen sein, warum sich die meisten Gruppen der burischen »Voortrekker« nach Natal und Transvaal wandten.Aufbruch und KonsolidierungDer große Treck 1835Nach dem sechsten Grenzkrieg von 1835 fand der »Große Treck« statt. Bis 1840 verließen ungefähr 6000 Siedler die Kolonie, vor allem aus den östlichen Distrikten, um neues Land zu suchen. Zwischen 1840 und 1845 folgten noch einmal rund 10000 »Voortrekker«, wie sie sich selbst nannten, die in Gruppen von Familiengröße bis hin zu mehreren Hundert Personen mit ihren Knechten und ihrem gesamten Hausrat auf Pferden und Ochsenwagen in neue Gebiete zogen.Die britische Kolonialverwaltung hielt die Voortrekker nicht zurück, wenngleich sie mit der Verabschiedung des Cape of Good Hope Punishment Act 1836 den juristischen Zugriff auf die Siedler zu sichern suchte. Das Gesetz legte ausdrücklich fest, dass jeder britische Untertan auch dann dem britischen Recht unterstehe, wenn er das britische Territorium verlassen habe. In der Realität waren die Voortrekker jedoch weitgehend unabhängig von staatlichen Eingriffen und damit auch von staatlichem Schutz. Sie verstanden sich selbst als autonome, gegen die Staatsmacht rebellierende Bewegung mit dem Ziel wirtschaftlicher, kultureller und politischer Unabhängigkeit. Das heißt allerdings nicht, dass ihre Interessen sich allein auf ein ungestörtes Leben, unabhängig von der Metropole, richteten. Berühmte Führer des Trecks wie Andries Pretorius waren Geschäftsleute und Landspekulanten, die erst von späteren Historikern zu Repräsentanten einer gottesfürchtigen und unabhängigen Bauerngesellschaft auf dem Weg in das Gelobte Land stilisiert worden sind.Zunächst zogen die Voortrekker in verschiedenen Gruppen über den Oranje nach Norden. Diese Route wurde als besonders geeignet angesehen, weil sie für Ochsenwagen passierbar war und in ein Gebiet führte, das angeblich durch die Mfecane weitgehend entvölkert war. Die zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen zeigen allerdings, dass es sich hier eher um einen Rechtfertigungsmythos handelte. Zudem waren die Voortrekker auf gute Rastplätze, Stützpunkte und Wasserstellen angewiesen, die sie bei afrikanischen Gemeinwesen fanden. Louis Trichardt (auch: Tregardt) zum Beispiel ließ sich zunächst im Einflussbereich des Xhosa-chiefs Hintsa nieder und tauschte Waffen gegen das Recht, Land zu nutzen.Der erste ernsthafte Gegner, auf den die Voortrekker stießen, waren die Ndebele unter Msilikasi, die 1837 nach mehreren Gefechten von den Buren unter Andries Hendrik Potgieter vernichtend geschlagen wurden und sich in das Gebiet des heutigen Simbabwe zurückzogen. Nach dem Sieg über die Ndebele standen zwei Wege offen: nach Norden in das Hochland und nach Osten über die Berge nach Natal. Die meisten Gruppen zogen nach Osten, in die Nähe des Zulustaates unter Dingane, und waren hier mit einem starken, gut organisierten und zentralisierten afrikanischen Staatswesen konfrontiert. Zunächst kooperierten die Trekker und Dingane, denn Msilikasi war ein Gegner der Zulu gewesen, und die militärische Unterstützung durch die Buren wurden mit großen Landabtretungen belohnt. Dingane war sich aber der Gefahr durch die Trekker bewusst, und im Februar 1838 überfiel er Pieter Retief und mehrere Hundert seiner Leute anlässlich einer Vertragsunterzeichnung in seinem eigenen Hauptquartier. Die anschließende Schlacht am Blood River war eine verheerende Niederlage für den Zulustaat. Die Trekker, die nur wenige Verwundete zu beklagen, aber 3000 Zulu getötet hatten, erklärten das Gebiet zur Republik Natalia. Die Briten schickten 1838 eine kleine Garnison, um die Buren zu überwachen, zogen ihre Truppen aber 1839 zunächst wieder ab. Erst als die Buren begannen, im größeren Ausmaß Afrikaner aus Natal zu vertreiben, und die Regierung am Kap befürchtete, dass dies Rückwirkungen auf die weiterhin ungesicherte Ostgrenze haben würde, verlegten sie 1842 eine größere Garnison nach Port Natal, dem späteren Durban. 1845 wurde Natal endgültig als Teil der Kapkolonie annektiert. Weder Briten noch Afrikaner konnten die Buren aus den 1836 bis 1841 eroberten Kerngebieten vertreiben. Sie waren zu einer dominierenden Kraft geworden, auch wenn es ihnen nicht gelungen war, ein von den Briten unabhängiges Staatswesen aufzubauen.Die Kolonie in der Mitte des 19. JahrhundertsIn den Jahren von 1650 bis 1840 fanden zwei Prozesse statt, die grundlegend für die Entstehung des modernen Südafrika waren: die Einbindung der Region in die Weltwirtschaft und die Dominanz der Europäer bzw. Weißen über die Afrikaner. In der Periode der Herrschaft der Kompanie wurden die Grundlagen einer von den Weißen dominierten Sozialordnung geschaffen, die gleichzeitig ihre ersten ernsthaften Herausforderungen erlebte.Das Jahr 1840 kann als Einschnitt betrachtet werden, denn um diese Zeit waren zwei Regionen, der Norden und der Osten, in das wirtschaftliche und politische System der Kapkolonie durch Siedlerexpansion, Handel, Mission und die ersten Grenzkriege eingebunden. Trekburen und die britische Regierung hatten große Teile guter Weidegebiete erobert oder beansprucht. Ein großer Teil der Afrikaner war in den kolonialen Arbeitsmarkt integriert. Dennoch blieben die weißen Gemeinwesen relativ schwach. Ihre Siedlungen wurden von autonomen afrikanischen Gemeinwesen begrenzt, den Tswana im Nordwest, den Venda im Nordtransvaal sowie den Pedi, Swasi, Zulu und Mpondo im Osten. Erst die Diamanten- und Goldfunde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts änderten die Situation für immer.Dr. Gesine KrügerGrundlegende Informationen finden Sie unter:Britisches Empire: Das erste britische Empire in NordamerikaNiederlande im goldenen Zeitalter: Die Herrschaft der »Pfeffersäcke«The Mfecane aftermath. Reconstructive debates in Southern African history, herausgegeben von Carolyn Hamilton. Johannesburg 1995.Natal and Zululand from earliest times to 1910. A new history, herausgegeben von Andrew Duminy und Bill Guest. Pietermaritzburg 1989.Neumark, Solomon Daniel: Economic influences on the South African frontier, 1652-1836. Stanford, Calif., 1957.The Oxford history of South Africa, herausgegeben von Monica Wilson und Leonard Thompson. 2 Bände. Oxford u. a. 1969-71. Nachdruck Oxford 1975-78.Peires, Jeffrey B.: The house of Phalo. A history of the Xhosa people in the days of their independence. Berkeley, Calif., u. a. 1982.Saunders, Christopher: The making of the South African past. Major historians on race and class. Totowa, N. J., 1988.The shaping of South African society, 1652-1840, herausgegeben von Richard Elphick u. a. Neuausgabe Middletown, Conn., 1989.Worden, Nigel: The making of modern South Afrika. Conquest, segregation and apartheid. Oxford u. a. 21995.
Universal-Lexikon. 2012.